· 

Tschechien

Der Brückenbauer Ganz viel Stolz auf die Heimat, den Böhmerwald, ist im Wohnzimmer von Egon Urmann zu sehen. Seine Eltern wurden, wie so viele Deutsche, aus dem eigenen Haus in Tschechien vertrieben. Der Vater, ein überzeugter Nationalist, wurde als wertvolle Arbeitskraft gebraucht und so blieben sie in Tschechien. In seinen Erzählungen liegen Erinnerung und Schmerz, Hoffnung und Zuversicht ganz nah beieinander. Später kaufte Egon Urmann das einstige Elternhaus in Lenora. Er ist gebürtiger Deutscher mit tschechischem Pass, spricht beide Sprachen und führt die Menschen beider Länder auf die jeweils andere Seite. Dafür wurde er als "Brückenbauer" ausgezeichnet. Er antwortet auf die Frage nach der Identität: "Ich bin nicht Deutscher, nicht Tscheche, ich bin Böhmerwäldler."

Casinos, Vietnamesenmärkte und Prostitution an der Grenze, kleine Orte, welche nicht so rausgeputzt erscheinen wie auf der anderen Seite und eine Sprache, die nur aus wahllos aneinander gereihten Buchstaben mit Strichen und Haken zu bestehen scheint - ist das wirklich das Tschechien, so wie es der Deutsche sieht?

Der deutsche Aktivist Gerhard Albrecht setzt sich für die Abschaltung des tschechischen Atomkraftwerks Temelin ein. Nur 60 km von der bayrisch-tschechischen Grenze entfernt soll das Kraftwerk zudem erweitert werden. Albrecht sagt, die tschechischen Behörden hätten erklärt, sie könnten sich eine Energiewende nicht leisten. Zusammen mit den Österreichern kämpft er für den Ausstieg. aber ihm fehlen die Unterstützer auf tschechischer Seite.

Digitale Entwicklungshilfe "Da Hog'n" ist ein gebogener Haselnussstecken mit einem Schlitz am Ende und einem Zettel darin. So wurden früher die Nachrichten im Dorf von Haus zu Haus weitergegeben. Heute heißt so das Online-Magazin der Redakteure Stefan Hörhammer und Helmut Weigerstorfer mit Sitz im bayrischen Freyung. Da geht es um "Hiesiges und Dosiges", um Menschen und Geschichten aus dem Bayrischen Wald. In der Rubrik "Behm Hog'n" kommt auch die tschechische Seite zu Wort. In der Zusammenarbeit mit Marek Matoušek, dem tschechischen Zahnarzt mit eigenem Blog, werden Nachrichten über die Grenze hinweg getauscht. Wenn Marek eine Radtour macht, fährt er 43 km lang im Zickzack über die Grenze. Immer wieder quert er den Fluß, genauso wie Hirsche und Frösche, die von Tschechien nach Deutschland springen und wie er nicht fragen, ob da eine Grenze ist. Matoušek fördert unter anderem grenzüberschreitende Kulturprojekte und versucht durch seinen Blog zur Völkerverständigung beizutragen. Er meint, die Menschen hätten ähnliche Probleme in den kleinen Städten auf beiden Seiten, warum sich nicht verbinden? "Die Deutschen kaufen in Tschechien ein und entdecken es langsam als Reiseland. Die Tschechen sind weniger flexibel, sie pendeln zum Arbeiten über die Grenze, das macht ihnen nichts aus, aber zur Kultur sind sie nicht bereit zu reisen." Leider sei durch die Geschichte die Linie auf der Karte ganz präzise gemalt und leider bliebe diese Linie durch die Geschichte in den Köpfen.

Richtungswechsel Was Roman Hajník im Hotel Zlatá Hvězda in Vimperk (Winterberg) erzählt lässt hoffen: Ein von der Euregio gefördertes Schulprojekt ermöglicht es jedes Jahr tschechischen Schülern eine Zeit lang in Deutschland zur Schule zu gehen. Dadurch dass sie in Gastfamilien untergebracht seien, würden Vorurteile abgebaut, weil man das wirkliche Leben kennenlernt, meint Hajník. Umgekehrt könnten Deutsche nach Tschechien gehen, doch wird dies nicht in gleichem Maße genutzt - die Sprache sei das Problem. Viele Tschechen lernen in der Schule Deutsch, doch kaum ein Deutscher spricht tschechisch. Er sagt, es sei kaum zu glauben wie nah und doch wie fern das Nachbarland sei, wie wenig Interesse vorhanden sei, über die Grenze zu gehen. Und doch: Wenn man gerade den Kindern das andere Land näherbringe, ändere sich die Einstellung.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0