Auf der Princesse Marie Astrid nimmt alles seinen Anfang: Fünf Vertreter der Europäischen Gemeinschaft treffen sich am 14. Juni 1985 auf dem Fahrgastschiff, der Mosel und in der europäischen Mitte der Teilnehmer. Deutschland, Belgien, Niederlande, Frankreich und Luxemburg unterzeichnen das Schengener Übereinkommen. Ziel des Abkommen ist es, die Grenzen durchlässiger zu machen, um den Personen- und Warenverkehr zu erleichtern.
Erst fünf Jahre später, im Juni 1990, wird das Abkommen tatsächlich umgesetzt:
Das Schengener Durchführungsabkommen regelt den Wegfall der Grenzkontrollen innerhalb der Europäischen Union. Nach und nach werden die Kontrollen innerhalb Europas aufgehoben. Hier, im Dreiländereck von Luxemburg, Frankreich und Deutschland, ist man im März 1995 schon so weit: Der Verkehr auf der Brücke von Schengen nach Perl fließt heute schrankenlos von einem Land ins andere.
"Wir gehen rüber zum Arbeiten und ihr kommt hierher zum Wohnen", sagt man auf der deutschen Seite. Zu den Stoßzeiten scheinen sich die Autos über die Brücke zu schieben: Morgens in Richtung Luxemburg, abends zurück nach Perl.
Sichtbar wird das gegenseitige Geben und Nehmen an den Tankstellen in Schengen und den Einkaufszentren in Perl: Tausche Benzin und Kaffee gegen Lebensmittel. Deutschland ist für Luxemburg der größte Abnehmer von Exportwaren: 25% der Einfuhren kommen aus Deutschland.
Mario Block sagt, dass er inzwischen den Luxemburger beim Einkauf in Perl sofort an zwei Merkmalen erkennt: Die Markenkleidung und der große SUW. Er gibt Sprachkurse in Luxemburgisch und hat regen Zulauf. Wer etwa als deutscher Arzt, Handwerker oder Pfleger in Luxemburg arbeiten möchte, hat mit dem Erlernen des Luxemburgischen bessere Chancen eine Anstellung zu finden.
Sophie Maheu gerät in Begeisterung, wenn sie vom Deutsch-Luxemburgischen Schulprojekt in Perl erzählt. Die Lehrerin unterrichtet Schüler aus Deutschland, Frankreich und Luxemburg am Schengen Lyceum. Offener sei man hier gegenüber neuen Ideen, Unterrichtsformen. In den Klassen sitzen Luxemburger und Deutsche zusammen in einem Raum, unterrichtet wird jedoch in den meisten Fächern auf Deutsch. Da die grenzüberschreitende Schule Elemente beider Schulsysteme vereint, können die Schüler entweder die „Allgemeine Hochschulreife“ oder das „Diplôme de fin d'études secondaires techniques administratif et commercial“ erwerben.
Der "Auxerois" steht im deutschen Perl auf dem Bistrotisch in der Sonne und wird warm, im Garten schaukeln die Enkel. Das Lothringerhaus der Weingut-Familie Herber ist von 1830. In der fünften Generation bewirtschaften Vater und Sohn 11 Hektar Weinberge, auch Lagen in Luxemburg. Hier schätzt die Weinrebe den Schieferboden, in Luxemburg ist es Kalk und Keuper. Einziger Wehmutstropfen für die Winzer: Die Sektsteuer in Deutschland, dadurch ist der Sekt Euro 1,50 teurer als in Luxemburg. Einziger Unterschied: Der "Crémant" heißt hier "Winzersekt".
Der Kontrast zum Winzer in Perl ist groß und könnte Vorurteile nähren: Das luxemburgische Weingut von Henri Ruppert liegt luxeriös gebaut am Hang von Schengen. Innen Sofalandschaft, außen riesige Terasse mit Blick auf das deutsche Perl. Mit den Weinlagen in Frankreich und Deutschland wird die Ertragsmenge erhöht, daher kann man auch vom "europäischsten Wein überhaupt" sprechen. Der Wein kennt keine Grenzen sagt man hier. Vor dem 1. Weltkrieg wird die gesamte Weinernte nach Deutschland verkauft, nach dem Ausstieg aus dem Zollverein sind die Luxemburger gezwungen selber Wein herzustellen - und das recht erfolgreich bis heute.
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