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Zeit, ins Grün zu gehen

"Wenn die Kräuter so jung und frisch sind, sollte man sie essen, bis sie einem zu den Ohren herauskommen." meint Bärbel Gros-Schappacher als sie den Trupp der Kräutersammler in Weingarten bei der Jagdhütte mit traumhaften Blick begrüßt. "Das ist mein Jagdrevier": Sie zeigt auf Wiesen und Wälder und meint damit nicht nur die Plätze an denen sie die besten Kräuter findet. Die Hütte mit dem treffenden Namen  "Zum feuchten Einstand" ist oft auch der Startpunkt, wenn sie dem Wild nachspürt. "Ich bin eine Jägerin und Sammlerin" sagt die Kräuterfrau und Jägerin. Die Namen der anderen Sammelwütigen werden auf Blätter geschrieben, ans T-Shirt geheftet und ab geht's ins Grüne. "Schaut mal, das ist kein Kraut, das wir sammeln wollen, aber wenn Ihr zum 1. Mai eine Maibowle machen wollt, ist der Waldmeister genau richtig dafür. Man muss sich nur beeilen, denn den gibt es nur eine kurze Zeit." Erst beim Welken entfaltet sich das Aroma Curmarin, erzählt sie. "Ach ja und schaut mal, hier sind ganz zauberhafte Maiglöckchen, ein typisches Muttertagsblümchen." 

Als erstes reckt sich die Knoblauchrauke mit den weißen Blüten rechts am Weg nach oben. "Sie hat einen knoblauchartigen Geschmack und ist super aromatisch im Salat." Die Blätter sind sehr charakteristisch, wenn man sie zerreibt, entfaltet sich der Knoblauchduft, man kann sie praktisch nicht verwechseln. "Wenn Ihr am Sammeln seid, sammelt einen ordentlichen Berg und wascht die Kräuter, dann halten sie sich  super eine Woche im Kühlschrank." Je jünger, um so zarter und schmackhafter sind sie.

"Jetzt schnell weiter, sonst werden wir aufgefressen" - die Schnaken sind im Wald hinter den Sammlern her. Doch erst müssen alle den sattgrünen Giersch ernten. Er wächst flächig, sieht aus wie Unkraut. Doch Bärbel ist begeistert: "Schaut Euch dieses Feld Giersch an! Eigentlich sollte man das abmähen und daraus Spinat machen, die Blätter kleinhacken und ab aufs Butterbrot oder in den Salat. Das ist "Gemüse for free" und das in megabester Qualität, das muss man sich mal überlegen". Also bitte großzügig ernten, er hat viele Spurenelemente und Mineralien. Die Körbchen füllen sich langsam.

Zwischendurch finden sich noch Brennnesseln, "die jungen Blätter ganz oben schmecken am besten, wenn man die am Stil erntet piksen sie auch nicht.", und die letzten Blätter Bärlauch. Dieser blüht zwar schon, aber kommt trotzdem in den Korb. Bärbel hält es für einen Mythos, ihn nicht zu ernten nur weil er blüht. Gerne dürfen es auch ein paar mehr Blüten für die Salat-Deko sein.

Das Auge wird geschult, je öfter man die Pflanzen anschaut, daher rät die Kräuterfrau dazu, die Augen nicht vom Grün zu lassen. Und schon ragt der Holunder in den Weg, teilweise blüht er, teilweise hat er noch grüne Knospen. Sie lässt "die kleinen Nüsschen" probieren, sie schmecken nach Erbsen und "Blüten und Knospen machen sich später auch optisch gut im Salat". 

Es geht in die Wiesen, denn da ist die Goldrute, "ein herrliches Heilkraut, gerade bei Harnwegsgeschichten." Die Blüten leuchten später leuchtend gelb aus den Wiesen. Doch zur Zeit ist diese in einem speziellen Stadium - man kann ihre Stiele abbrechen und wie Rohkost knabbern. "Kann man einfach essen", sagt Bärbel und beißt ab. Und, mit vollem Mund: "Der obere Teil schmeckt fast wie Spargel." Die Stängel sind zum Knabbern und die Blätter kommen später in den Salat.

"Hier ist alles voll von diesen Goldrutenbüscheln, wenn ihr da die oberen Stilechten abzwickt, sind das super Rohkost-Stengel."  Bärbel verschwindet im Grün. Sie hat den Wiesensalbei entdeckt. Seine lila Blüten und die charakteristischen Salbei-Blätter haben ihn verraten. Auch er kommt mit in den Korb. "Bitte ganz viel sammeln, das brauchen wir für unser Essen. Hier auf der Wiese wächst gerade sooo viel, da kann man eigentlich fast alles verarbeiten".

Die Schafgarbe ist fast nicht zu sehen, schließlich kennt man sie eher im Sommer mit weißen Blüten. Jetzt aber sind ihre Blätter interessant: "Ich geb Euch mal einen kleinen Tipp für die Wiedererkennung der Schafgarbe - schaut mal genau hin, dann seht ihr die "Augenbraue der Venus". 

"Wisst ihr was? Probiert mal diese Blütenköpfe vom Spitzwegerich, das ist total verrückt, denn zuerst schmeckt es ein bisschen bitter und dann nach Pilzen. Sie müssen allerdings noch richtig jung, also geschlossen sein. Also, wenn ihr mich nachher sucht - ich sitze in der Wiese und knabbere Spitzwegerich-Köpfe". 

"Jetzt möchte ich Euch noch etwas über die Arbeit eines Jägers erzählen: Das ist ja das Revier (600ha), in dem ich aktiv bin. Ihr seht hier diesen kleinen Eichenhain. Vor fünf Jahren wurde der Eichenhain angepflanzt, vom Forst. Die kleinen Bäumchen sind Leckerbissen für das Rehwild. Die Aufgabe des Jägers besteht darin die Bäumchen vor dem Rehwild zu schützen. Und wenn der Jäger das nicht macht, und das Wild knabbert alles ab dann muss er den Schaden zahlen. Also wird vom Jäger ein Zaun um das Gelände gezogen. Dieser bleibt fünf Jahre stehen und muss dann aber auch wieder entfernt werden. Vor zwei Wochen war es unsere Revierarbeit, die Pfosten und einen groben Maschendrahtzaun in dem sich Brombeerhecken und Dornen verwachsen hatten zu entfernen. Eine Heidenarbeit war das!  Wenn der Jäger das nicht machen würde, würden wir durch eine Bonsai-Kulturlandschaft spazieren, denn die Rehe würden alles abknabbern. Viele denken, der Jäger macht oftmals nur den Finger krumm, doch er macht ganz viel für die Natur und den Wald. Seine Aufgabe ist es auch, dass der Wald wächst und die Bäume größer werden."

"Ich zeige nur Sachen, die eindeutig sind und die man wiederfinden kann." Nur den gefleckten Schierling würde sie stehen lassen, denn er kann Hautreizungen auslösen. An der Jagdhütte zurück wird die Kräuter-Beute durchgewaschen, auch um die Kräuter zu erfrischen. Auf die Frage nach dem Fuchsbandwurm sagt sie: "Der Fuchsbandwurm ist höchstens für die Jäger gefährlich, denn die häufigste Infektion passiert über die Atemwege beim Abbalgen." Es wird geschnitten und gehackt, es riecht nach frischem Grün. Die Kräutermischung kommt in den Quark, die Blätter zusammen mit gerösteten Sonnenblumenkernen und Blüten in die Salatschüssel. Die Salatsoße sollte mit etwas Fruchtigem, wie mit Orangensaft angemacht sein, das neutralisiert die Bitterstoffe. "Wir machen jetzt Schüttelbutter - kennt Ihr das?" Bärbel gibt Sahne zusammen mit gehackten Kräutern und einer Mischung aus Schabziger Klee und Kräutersalz in ein Gefäß und schließt es. Dann wird etwa zehn Minuten kräftig geschüttelt und heraus kommt - Butter! Dazu frisches Brot und die Wildwurst des Jägerfreundes - besser geht's nicht. "Man kann die Kräuter wirklich in rauen Mengen essen, es ist überhaupt nicht bedenklich, dass da etwas drin ist, was vielleicht Durchfall verursachen kann oder so. Im Gegenteil, das junge Grün schmeckt nicht nur, sondern dient gleichzeitig als Entschlackungskur."

Und zum Schluss die goldene Regel zum Kräuter sammeln: Im Frühling ist die Kraft in den Blättern, im Sommer in den Blüten und im Herbst/Winter in den Wurzeln. Mehr Infos unter www.wiesenperle.com

Giersch • Knoblauchrauke • Goldrute • Schafgarbe • Holunder • Gundermann • Wiesensalbei • Spitzwegerich

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