Vom Haken auf den Teller - das ist der Plan. Vorausgesetzt die Fische beißen. Vorausgesetzt man kann angeln. Ich kann es nicht. Andere in der Gruppe der Journalisten auch nicht. Also starten wir mit einer Einführung ins Angeln und zwar dort, wo der Strelasund den Hafen küsst: In Stralsund.
Bei Angelservice Ullrich bekommen wir alles, was wir zum Angeln brauchen: Angelruten und viele glitzernde Fischlein als Köder. Doch das allein würde nicht reichen, denn ohne Angelerlaubnis und Fischereischein geht gar nichts. Das Besondere in MeckPomm ist, dass hier eigentlich jeder das Angeln einmal ausprobieren kann, ohne je einen Angelkurs belegt zu haben. Nun besitze also auch ich einen zeitlich befristeten Fischereischein (sozusagen ein Touristenvisum fürs Angeln, 28 Tage gültig) des Landes Mecklenburg Vorpommern und die Erlaubnis die Fischerei in den Küstengewässern mit bis zu drei Handangeln und einer Köderfischsenke auszuüben. Soweit das Amtliche. Fasziniert bin ich mehr von den bunten Ködern - das Fische darauf reinfallen... Jeder Fisch hat seinen Köder, doch selbst der geübte Angler kann sich nicht immer sicher sein, wann welcher der Richtige ist.
Um uns einen Überblick zu verschaffen, was uns in den Gewässern Vorpommerns erwartet, schauen wir uns die Fische im Original hinter Glas im Ozeaneum an. Es ist dann doch überraschend, welche Vielfalt sich allein im Stralsunder Hafenbecken tummelt, zehn Fischarten sind da zu finden. Wir beginnen mit den ersten Würfen am Hafen unter fachkundiger Anleitung unseres Angelguides Jörn Hetzel. Er zeigt mir mehrmals geduldig worauf es ankommt, doch es bleibt ein Mysterium für mich. Es sind einige Handgriffe nötig, um das "Spinnangeln" zu beherrschen - immerhin schaffe ich es ein oder zweimal den Köder so weit auszuwerfen, dass ich die Schnur nicht mehr sehe. Und ich begreife: Die Kunst beim Werfen besteht darin, weder ins Hafenbecken zu fallen, noch irgend Jemanden mit dem Haken des Köders aufzuspießen.
Ein schwimmendes Haus ist die Belohnung für die ersten Angelanstrengungen: Das Baltic Sea Resort in Kröslin ist eine kleine Stadt für sich - hier ist alles Boot. Der ehemals kleine Ausweichhafen für NVA-Schiffe hat sich zu einem modernen Yachthafen mit 500 Liegeplätzen entwickelt. Vom SPA-Bereich mit Dachterrasse, über Läden und Restaurant ist alles für den Segler, Paddler und Angler da. Wer einfach nur schick und ungewöhnlich nächtigen will, ist in den elf Floating Houses bestens aufgehoben: Direkter Zugang und Blick zum Wasser, Wohnlandschaft mit Küche und Terrasse,... Hier will ich eigentlich nicht mehr weg.
Als ich nachts aus meinem Fenster schaue, sehe ich die glitzernden Fische wie schwimmende Glühwürmchen im Wasser. Die Kraniche ziehen über mir weg und ich höre nur noch das leise Glucksen der springenden Fische.
Heute wird es ernst: Die erste richtige Angeltour im Peenestrom. Unsere Hipster-Angelguides Lars und Florian preschen mit uns in zwei schnellen Booten aus der Marina des Baltic Sea Resorts. Wir sind auf Zander.
Immer wieder wechseln wir die Position im Peenestrom, welcher für seine Artenvielfalt bekannt ist: Fünfzig Fischarten wurden hier nachgewiesen. Wir sind auf Zander, Barsch und Hecht gespannt, werfen immer wieder und wieder die Angel aus. Leider haben wir ungünstige Bedingungen: Am Tag vorher ist ein Sturm vorbei gezogen, hat die Fische durcheinander gewirbelt, jetzt müssen sie sich erst wieder orientieren. Bei Katrin beißt eine große Brasse, doch bevor sie den Fisch rausziehen kann, ist er schon wieder weg. So etwas passiert immer mal wieder. Florian, unser Guide hat mehr Glück: Er fängt einen Barsch, doch muss ihn wieder zurück werfen, da er noch nicht groß genug ist. Zwanzig Zentimeter muss er laut Angelerlaubnis mindestes haben, erst dann darf er ins Boot. Florian misst das grob mit den Fingern ab, und den nächsten den er fängt, kann er behalten. Dann kommt der Knüppel, ein Stich mit dem Messer oder Genickbruch und ab in den Eimer.
Ich habe kein Glück, auch nach vier Stunden hat nur einmal ein Fisch bei mir angebissen - der Misserfolg ist sicher auch meiner Technik geschuldet. Doch schließlich und endlich bringen wir gemeinsam noch genug Zander und Barsche in den Hafen. Wer ab Oktober zum Angeln herkommt, hat eine reelle Chance, dass jeder Wurf ein Biss ist, so groß ist die Fischdichte und zudem sind die meisten Fische ausgewachsen. Die Schonzeiten für die Fische sind laut Angelerlaubnis ganz unterschiedlich: Der Zander muss von April bis Mai in Ruhe gelassen werden, der Lachs schon länger - von September bis Dezember. Die meisten Fischarten laichen im Frühjahr, daher sind Spätherbst und Winter bei Angelfreunden beliebt, um die "Kapitalen" an Bord zu ziehen.
Vom Haken auf den Teller: Jetzt bekommt das Thema der Reise eine reale Entsprechung. Im kleinen Fischereihafen Zecherin bereiten die Männer den Fang zu. Zuerst wird entschuppt, dann ausgenommen und filetiert. Florian ist Koch und füllt Zander und Barsch gekonnt mit Tomaten, Pilzen, Lauch, Zwiebeln und Knoblauch. Enrico Nagel, welcher die BalticFishing-Touren von Zecherin aus organisiert, bringt dazu Thymian aus dem Garten, dann ab in die Pfanne. So frisch habe ich Fisch noch nie gegessen - er schmeckt fantastisch.
Wer der Angellust länger frönen möchte, kann sich in Zecherin entweder in die Ferienwohnungen im schilfgedeckten Fachwerkhaus einquartieren oder das Wohnmobil bzw. Zelt am Hafen parken - direkter Blick auf den Peenestrom garantiert.
Birnbaum & Kruse in Hohendorf vermarkten den Fang regionaler Fischer, davon gibt es immerhin noch dreihundert in MeckPomm. Früher waren es dreitausend Berufsfischer. Wir erfahren, dass hier passive Fischerei betrieben wird, nachhaltig, will heißen ohne Schleppnetze sondern mit Reusen. Schön, dass es das noch gibt.
Die Nacht verbringen wir im Kaiserbad Bansin auf Usedom. Im neuen Kaiserstrand Beachhotel stelle ich den Koffer ab und laufe zur Blauen Stunde den Strand entlang. Nur noch wenige Strandläufer genießen mit mir den Abend. Himmel und Meer ist e i n Blau.
Der Hafen von Kamminke auf Usedom liegt verlassen da, nur zwei Einheimische genießen mit uns diesen sonnigen Morgen. Mit einem Motorboot tuckern zwei Angler hinaus, das Eiswägelchen in Pastell wartet auf Eishungrige und im Strandrestaurant werden gerade die Stühle unter die Strohschirme gestellt - hier möchte ich gerne mal urlauben.
Wir setzten mit der Priwall V nach Ueckermünde über, wieder aufs Festland. Nur das leise Motorengeräusch ist zu hören, die Sonne scheint ins Gesicht, die See liegt ruhig da. Mit einer Geschwindigkeit von 20km/h kommt die Entschleunigung ganz von alleine. Der Strand vom Seebad Ueckermünde ist von weitem zu sehen, die ersten Segler kommen uns entgegen und wir erreichen den Hafen der kleinen Stadt am Stettiner Haff.
Der Bürgermeister von Ueckermünde, Gerd Walther, führt uns persönlich durch seine Stadt. An dem Holzschiff "Ucra", der neu restaurierten Pommernkogge, vorbei in die Altstadt. Wir werfen einen Blick in "Deutschlands beste Buchhandlung" und unterhalten uns mit einem Rentner aus Berlin, der immer wieder in Ueckermünde Urlaub macht, weil es ihm da so gut gefällt. Weiter zur Volksbühne, welche nun ein Kino ist, davor der "Friedel Schulz", ein ehemals berühmter Opernsänger und Sohn der Stadt. Immer dienstags und donnerstags werden auf dem Markplatz mit den schön restaurierten Häusern Live-Konzerte gegeben und auch sonst wird hier kulturell Einiges auf die Beine gestellt. Noch ein Grund mehr Ueckermünde einen Besuch abzustatten: Das Wetter ist hier meist besser, als in ganz Deutschland - sagt der Bürgermeister.
Der Kutter "Lütt Matten" wartet im Fischerdorf Altwarp schon auf uns. Manfred Goldmann ist seit 45 Jahren Fischer. Als Rentner fährt er jetzt nur noch gelegentlich für das Schaufischen in der Saison mit dem Kutter raus. Er holt für uns die Reuse raus, kippt den Fang in die Plastikwanne und zeigt uns kleine Aale, Zander, Brassen oder Plötze. Die letzteren will keiner haben, zu viel Gräten. Nur die benachbarten Polen nehmen sie gerne ab und legen sie sauer ein. Erstaunlich, wie viele Arten in der Wanne schwimmen - Manfred Goldmann sagt immer wieder: "Das ist ein Seltener". Die Fische sind alle sehr klein, müssen wieder zurück ins Stettiner Haff und wachsen. Die Dorade des Nordens, die Karausche, ist auch dabei - der Fischer kennt sie alle und isst selber fast jeden Tag Fisch. Den Blei mag er sehr gerne, er kocht ihn Braun, d.h. in Malzbier und Zucker angebraten.
Der Haff-Aal ist besser als normaler Aal, sagt er. Die Altwarper wissen das und kaufen gern Haff-Aal für ihren Weiß gekochten Fisch. Dieses typische Gericht der Region bekommen wir dann, als wir zurück im Hafen sind. Für den Weiß gekochten Fisch werden die Fischstücke in einer Soße aus Sahne, Milch und Zwiebeln gedünstet und dann mit viel Petersilie und Butter verfeinert.
Hannelore Hohmann von der Heimatstube führt uns durch das kleine Fischerdorf Altwarp. Im "Multiplen Haus" trifft man sich noch regelmäßig zu Skatabenden, Stricken und Sport. Eine Heimatstube ist im oberen Stock eingerichtet, Ehrenamtliche wie Hannelore Hohmann betreuen sie, sind von Haus zu Haus gegangen und haben die Zeugnisse der Altwarper Vergangenheit zusammengetragen und hier liebevoll arrangiert.
Der Strand ist leer, die Saison rum. Doch die Touristenströme führen auch in der Hauptreisezeit an dem kleinen Dorf vorbei, konzentrieren sich auf die Seebäder von Usedom und Rügen. Dabei ist es hier sehr beschaulich, ohne Hotelbunker, dafür kleine Pensionen und Ferienwohnungen.
Als wir im Hotel am Peenetal in Lieben ankommen nimmt uns Hotelmanager Stefan Wolltert erst einmal mit an die Peene. Die Abendsonne taucht den kleinen Hafen in warmes Licht, wie ein arrangiertes Stillleben liegen die Boote im Wasser. Wir gehen den schmalen Weg entlang, rechts und links das Schilf. Dann kommen wir zum Steg und die Peene liegt vor uns. Ein Angler hat gerade einen Hecht gefangen, er holt ihn mit dem Kescher raus und fürs Foto hält ihn Stefan Wolltert hoch, bevor er ihn zurück ins Wasser entlässt. Ganz ruhig liegt die Peene da, ein Hirsch röhrt und Seeadler kreisen über uns. Auf dem Rückweg sehen wir noch einen kleinen Biber - die Idylle ist perfekt.
Stefan Wolltert hat als Koch in der Sternegastronomie gearbeitet und verspricht uns "vielleicht ein paar verrückte Sachen", welche sein Küchenchef für uns zaubern wird. Tatsächlich bekommen wir dann im Restaurant nicht nur zum Dessert ungewöhnlich Arrangiertes und geschmacklich Überraschendes. Der angeschlossene Gutshof Liepen nimmt mich in seine weichen Kissen auf und ich verschiebe die Entdeckung des SPA-Bereichs auf den nächsten Morgen.
Um sieben Uhr schwimme ich ein paar Runden in der Riesenbadewanne, relaxe im dampfenden Außenpool und laufe dann zur Peene. Als ich am Steg ankomme, sind schon die ersten Angler mit Boot und Rute unterwegs. Der Nebel steigt vom Wasser auf, die Sonne kämpft sich durch die Wolken in den Tag - die Stimmung ist magisch.
"Amazonas des Nordens", so wird die weit verzweigte Flusslandschaft des Peenetals gerne bezeichnet. Mit dem Kajak ist es noch einmal ein ganz besonderes Abenteuer, einhundert Kilometer lang die Peene zu erkunden. Wer möchte, kann dies mit dem Angeln verbinden, schließlich können hier jede Menge Süsswasserfische wie Wels, Zander und Barsch anbeißen. Im "Amazonas-Camp" an der Marina Loitz treffen wir Michael Woitacha - er wird uns zeigen, wie man mit dem Kajak angelt. Die kippstabilen und wendigen Kajaks sind für Einsteiger und Profis gleichermaßen geeignet und unsere zwei Versuchskandidaten wollen gar nicht mehr aus dem Wasser raus. Der Rest der Truppe versucht sein Angelglück vom Motorboot aus - leider jedoch ohne Erfolg. Ich genieße die Ruhe auf der Peene, sehe den Leuten beim Sonnenbaden und der Schwanenfamilie beim Flüchten zu. Wieder zurück im Camp führt uns Christa Labouvie über ihren Campingplatz. Sie hat jede Menge Platz für Wohnwagen oder Zelt und außerdem noch drei halbe Boote aufgestellt. Die drei halbrunden Holzhütten (PODs) sind recht geräumig und mit Heizung ausgestattet - so steht dem Paddel-Glamping Urlaub nichts entgegen.
In Greifswald geht die Reise zu Ende. Abschiedsessen in der Hornfischbar auf der Pomeria, einem schwimmenden Restaurant, urgemütlich und originell eingerichtet. Noch eine Stadt mehr, die es wert wäre, wieder nach MeckPomm zu kommen.
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